STRESS - Begriff
Der Begriff Stress hat vor allem in den letzten 50 Jahren einen regelrechten Wandel durchlebt.
Während früher dieses Wort kaum jemand in den Mund nahm, sondern harte Arbeit eben
harte Arbeit war, gibt es mittlerweile kaum eine arbeitsbezogene Unterhaltung, in der Stress
kein Thema ist. Also was ist passiert? Ist Stress salonfähig geworden, eine Modeerscheinung?
Ist unsere Wohlstandsgesellschaft zu verwöhnt?
Die Antwort ist NEIN! Weder haben wir aktuell ein Luxusproblem noch hatten es die Menschen
früher leichter. Entscheidend ist, die Belastungen sind nicht schlimmer geworden, sondern
andersartig.
Die härteren Lebensbedingungen, Kriege etc. waren ohne Zweifel extrem stressig und vor
allem auf körperlicher Ebene angesiedelt. Heute ist der Schwerpunkt der Belastung bei
einem Großteil im sozialen und mentalen Bereich zu finden.
Um nur folgende Stichworte zu nennen:
Arbeitsverdichtung, Beschleunigung, erhöhte Mobilität, Informationsflut, Individualisierung,
Auflösung traditioneller sozialer Verbände, Veränderung traditioneller sozialer Rollen,
Verlagerung von Hand- zu Kopfarbeit in der Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, erhöhte
Lebensunsicherheit in einer globalisierten Welt, etc.
D.h. der Mensch muss sich zwangsweise diesem Wandel anpassen: einen Job für Zwei erledigen,
höchst flexibel den Wohnort wechseln, Freunde und Familie zurücklassen -um nur einige
Beispiele zu nennen.
Was aus biologischer Sicht erschwerend hinzu kommt, ist der vorherrschende Bewegungsmangel.
Technischer Fortschritt und die Entwicklung weg von der körperlichen und hin zur geistigen
Arbeit führen dazu, dass die durch einen Stressimpuls ausgeschütteten Stresshormone
nicht -wie früher- gleich wieder abgebaut werden können. Wenn dieser Abbau auch nicht
durch Bewegung in der Freizeit, in der Pause o.ä. stattfindet, kann dies langfristig zum
Burnout sowie zu schweren Erkrankungen wie Diabetes, Osteoporose, Krebs, Depressionen etc. führen.
Wohlgemerkt, nur wenn Stress über einen längeren Zeitraum anhält.
Denn Stress an sich ist durchaus positiv und kann den Menschen zu Höchstleistungen
animieren, die er im "Normalzustand" nicht erbringt. Vorausgesetzt die Belastung unter
Stress hält nur kurzfristig an und findet wieder seinen Ausgleich. Denken Sie nur einmal an
einen Kurzstreckenläufer kurz vor dem Startschuss. Auch hier herrscht eine kurzfristige
Stresssituation, unter der die Ausschüttung des Hormons Adrenalin dazu führt, dass
die Konzentration verschärft wird, sich die Muskelspannung erhöht, sich die Atmung
beschleunigt und die Energiebereitstellung mit Blutzucker und Fetten für Muskeln und Zellen
auf Hochtouren läuft.
Alle positiven Stressreaktionen waren früher überlebensnotwendig, um -im Steinzeitjargon
gesprochen- vor dem Säbelzahntiger zu flüchten oder ihm den Kampf anzusagen.
Diese rasche Energiemobilisierung bezeichnete der Vater der modernen Stressforschung, Mediziner
und Biochemiker Hans Seyle, als allgemeines Anpassungssyndrom (AAS; Seyle, 1936, 1981).